Sprache ist mehr als nur ein Mittel zur Kommunikation – sie formt, wie wir uns selbst und unsere Umgebung wahrnehmen. Besonders im Umgang mit Menschen mit Behinderung kann die Wahl der Worte einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wie sich diese Menschen fühlen, wie ihre Bedürfnisse wahrgenommen werden und wie sie sich in der Gesellschaft integrieren können. Worte gezielt wählen bei Menschen mit Behinderung bedeutet nicht nur, unbewusste Vorurteile zu vermeiden, sondern auch, respektvoll und empathisch zu handeln.
Warum die richtige Sprache so wichtig ist
Sprache prägt die Wahrnehmung. Wenn wir in der Kommunikation mit Menschen mit Behinderung immer wieder bestimmte Begriffe oder Floskeln verwenden, werden diese nicht nur zur Routine, sondern vermitteln auch ungewollte Botschaften. Ein Beispiel: Wenn jemand von einer „Pflegefall“ spricht, entsteht oft ein Bild von Abhängigkeit und hilfloser Bedürftigkeit. Die Realität sieht jedoch anders aus – Menschen mit Behinderung leben ein aktives Leben und verfügen über viele Fähigkeiten und Ressourcen, die ihnen oft nicht zugestanden werden. Sie „leiden nicht an der Behinderung“, sie leben mit ihr. Diese Wahrnehmung in der Sprache spiegelt die Haltung wider, mit der wir ihnen begegnen.
Ein einfaches Beispiel zeigt den Unterschied: Die Worte „Ich öffne das Fenster“ lösen mehr aus als das bloße Öffnen eines Fensters. Sie schaffen Klarheit und Vertrauen. Hingegen führt eine unspezifische Bemerkung wie „Achtung, ich öffne das Fenster“ möglicherweise zu Verunsicherung. Worte, die das Wesentliche direkt ansprechen, vermitteln Selbstverständlichkeit und Empathie. Daher ist es wichtig, gezielt auf die Wortwahl zu achten.
Wie Sie Ihre Sprache gezielt einsetzen können:
🗣️ Füllwörter vermeiden
Füllwörter blähen Sätze unnötig auf und bringen oft keine Klarheit. Gerade in stressigen Situationen kann dies Missverständnisse fördern. Statt zu sagen:
„Kannst Du mir vielleicht einen Gefallen tun und vielleicht ein bisschen leiser sein?“
besser:
„Bitte sei leise.“ – klar und direkt! So entsteht sofort Klarheit und man vermeidet unnötige Verwirrung.
🚫 Negierungen umgehen
Das Gehirn tut sich schwer mit der Verarbeitung von Negationen. Sätze wie „Renn nicht auf die Straße“ erzeugen das Bild von einer gefährlichen Situation und können Panik auslösen. Stattdessen:
„Lauf auf dem Gehweg“ – hier wird das erwünschte Verhalten direkt benannt und der Fokus auf das Positive gelenkt.
⚠️ Signalwörter gezielt einsetzen
Worte wie „Achtung“ oder „Vorsicht“ können mehr Unsicherheit als Klarheit schaffen. Anstatt zu sagen:
„Achtung, jetzt wird es kalt!“
versuchen Sie es lieber mit:
„Das Wasser fühlt sich frisch an.“ – so wird die Wahrnehmung positiv und konkret angesprochen und die Information bleibt deutlich und verständlich.
💬 Gefühle nicht leugnen
Wenn etwas schiefgeht oder jemand traurig ist, kann es oft ein Automatismus sein, zu sagen: „Ist doch nichts passiert!“ Doch genau hier liegt ein wichtiger Moment der Anerkennung. Ein empathisches „Ich sehe, dass das traurig ist“ fördert den Dialog und lässt Raum für die Emotionen des Gegenübers. Dadurch zeigen Sie Verständnis und erhöhen das Vertrauen.
Respektvolle Sprache im Alltag
Es geht nicht nur darum, Worte richtig zu wählen, sondern auch, den Wert der Würde und des Respekts in der Sprache zu wahren. Nur so kann eine wirklich respektvolle Kommunikation entstehen, die alle Beteiligten einbezieht.
💡 Pflege-Wortschatz überdenken
Sprache beeinflusst die Haltung. Begriffe wie „fertig machen“, „lagern“ oder „füttern“ wirken herablassend und entmenschlichend. Statt zu sagen, dass jemand „Windeln trägt“, verwenden wir respektvolle Begriffe wie „Inkontinenzprodukte“. Menschen mit Behinderung sind aktive Teilnehmer an ihrem Leben, und das sollte sich auch in der Sprache widerspiegeln. Eine respektvolle Wortwahl stärkt das Gefühl der Selbstbestimmung und Würde.
🌱 Adultismus vermeiden
Vor allem im Umgang mit Kindern, auch mit Behinderungen, ist es wichtig, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu respektieren. Anstatt Entscheidungen für sie zu treffen, fragen Sie: „Welchen Pulli möchtest du heute tragen?“ – und akzeptieren Sie die Wahl des Kindes. Dadurch wird dem Kind die Autonomie zugestanden, und es wird nicht in eine passive Rolle gedrängt.
🌟 Ableismus in der Sprache überwinden
Menschen mit Behinderung sind nicht automatisch „gebrochen“ oder „in irgendeiner Form minderwertig“. Sie „leben mit einer Behinderung“, und diese ist nicht das einzige Merkmal ihrer Identität. Hilfsmittel wie Rollstühle oder Gehhilfen ermöglichen den aktiven Zugang zum Leben und helfen, das Leben selbstbestimmt zu gestalten. Es ist wichtig, diese Perspektive zu kommunizieren, um Ableismus (Diskriminierung aufgrund einer Behinderung) zu vermeiden und eine inklusive Haltung zu fördern.
Fazit: Sprache als Kraftquelle für ein respektvolles Miteinander
Worte sind eine unglaublich kraftvolle Ressource, die uns helfen kann, Beziehungen zu stärken und die Kommunikation zu verbessern. Wenn wir achtsam und respektvoll wählen, können wir das Leben von Menschen mit Behinderung positiv beeinflussen und Barrieren abbauen. Worte gezielt wählen bei Menschen mit Behinderung kann der Schlüssel dazu sein, alle in ihrer Ganzheit zu sehen und ihnen die Anerkennung zu schenken, die sie verdienen.
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